Anzeige

Antisemitismus Die Marke Fridays for Future ist irreparabel beschädigt

Klimaaktivistin Greta Thunberg
Klimaaktivistin Greta Thunberg
© Daniel LEAL / AFP
Schon länger fällt die internationale Sektion von Fridays for Future in sozialen Medien mit antisemitischen Parolen auf. Die deutschen Akteurinnen trifft keine Schuld – aber auch sie sind jetzt gefragt.

Dieser Kommentar erschien erstmals am 26. Oktober 2023. Er hat seitdem nichts an Aktualität verloren. Bei einer Klima-Demo in Amsterdam am 12. November skandierte Greta Thunberg: "No climate justice on occupied land." ("Auf besetztem Land gibt es keine Klimagerechtigkeit.") Sie spielte damit offenkundig auf die von Israel besetzten palästinensischen Gebiete an. Darum hat die Redaktion des stern entschieden, den Kommentar noch einmal zu veröffentlichen.

Nein, man kann Fridays for Future in Deutschland keinen Vorwurf machen. Sie haben sich distanziert. Erneut und in aller Klarheit. Es war, man muss es leider so sagen, schon wieder nötig. Und es wird, davon darf man ausgehen, noch öfter nötig sein.

Nicht erst seit ein paar Tagen, nein, schon länger fällt die internationale Sektion der Klimaaktivistinnen und -aktivisten in sozialen Medien mit antisemitischen Parolen und geschichtsvergessenen Grafiken auf. Was jetzt bei Instagram zu lesen war, konnte niemanden ernsthaft überraschen. Man braucht das gar nicht groß zu bewerten. Es spricht in seiner ganzen Verachtung der Wirklichkeit für sich.

"Dies ist KEIN Konflikt. Dies ist ein Genozid", steht dort. Westliche Medien würden nicht die "ganze Geschichte" erzählen. Sie betrieben vielmehr "Gehirnwäsche". Sie seien nicht unabhängig, sondern von "imperialistischen Regierungen" gegründet.

Es braucht offensichtlich nur ein paar Textkacheln, da wandelt sich FFF zu FFC, Fridays for Conspiracy. Warum auch für effektiven Klimaschutz protestieren, wenn man nette Verschwörungsmythen verbreiten kann?

Für den deutschen Ableger der Fridays bedeutet das: Distanzieren bleibt richtig und wichtig, aber auf Dauer wird es nicht reichen. Wer den 7. Oktober 2023 als das begreift, was er ist, als den Tag, an dem so viele Jüdinnen und Juden auf einmal ermordet wurden wie seit der Shoa nicht mehr, der muss viel weitreichendere Konsequenzen ziehen, wenn es darum geht, an wessen Seite und unter welcher Marke er oder sie sich engagiert.

Die Marke FFF jedenfalls ist durch, ein für alle Mal, irreparabel beschädigt von Antisemiten und Verschwörungsfreundinnen in den eigenen Reihen. Nicht mehr tragbar als Name einer Gruppierung in einem zivilgesellschaftlichen Diskurs, der im Wertefundament dieses Landes verankert sein muss: Das Existenzrecht Israels ist nicht verhandelbar.

Für Fridays for Future ist Ende Gelände

Man kann das den prominenten Vertreterinnen in Deutschland um Luisa Neubauer nicht zum Vorwurf machen. Es wäre auch vermessen, sie belehren zu wollen oder ihnen gut gemeinte Ratschläge zu geben, was jetzt zu tun wäre. Ihnen dürfte ohnehin inzwischen klar sein, worauf es hinausläuft: Für Fridays for Future ist Ende Gelände.

Wer eine Bewegung startet, muss immer einpreisen, dass sie nicht nur Spinner anzieht, sondern auch komplett Verwirrte. Ohne gewachsene Strukturen sind Selbstreinigungsprozesse schwierig, deshalb ist Führung gefragt. Mit Ikonisierung kommt große Verantwortung. Der kann man gerecht werden. Oder man macht es wie Greta Thunberg.

Niemand verkörpert FFF wie sie. Wo sie in diesem Krieg steht, hat Thunberg vor ein paar Tagen klargestellt. Sie hätte sich ohne größere Verrenkungen an die Seite von Empathie und Menschlichkeit stellen können. Sie hat sich anders entschieden. Sie hat Partei ergriffen für Palästina, einseitig und eindeutig.

Hierzulande funktionieren die Reflexe der Führung. Schon früher hat Luisa Neubauer erklärt, wie klein der Kreis sei, der die internationalen Social-Media-Kanäle betreut. Wie losgelöst diese Gruppierung vom eigentlichen Kern der Bewegung sei. Wie einzelne dort ihre eigene Agenda fahren – gegen die Mehrheit der Bewegung. Und wie sie die Reichweite für ihren Israel-Hass missbrauchen.

Aber wem helfen diese Erklärungen jetzt noch? Wer kann ausschließen, dass sich junge Menschen künftig nicht auch vom Antisemitismus anziehen lassen, der spätestens jetzt immer mitschwingt, wenn von FFF die Rede ist? Und will man es all jenen, die schon nach guten Gründen suchten, die Klimakrise zu verharmlosen, wirklich so einfach machen, das eigene Anliegen zu diskreditieren?

Das Branding FFF ist unwiderrufbar beschädigt. Nicht aber die Idee einer klimarealistischen Politik. Wer für Letzteres mobilisiert, wird neue Wege suchen.

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel