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Wahlergebnisse Die Schweiz hat Stimmen falsch gezählt. Sie lesen richtig: die Schweiz

Das Bundeshaus in Bern: Eine Kuppel, auf der die Schweizer Fahne weht
Das Bundeshaus in Bern
© dts Nachrichtenagentur / Imago Images
Die Schweiz hat gewählt. Und das Statistikamt hat sich verzählt. Die Reaktionen sind harsch. Das hat etwas Beruhigendes, findet unsere Autorin. 

Gibt es denn gar keine Gewissheiten mehr? Jetzt also Wahlfiasko in der Schweiz, dem Land der Luxusuhren, das doch sonst selbst funktioniert wie ein Uhrwerk. Eigentlich. Weil: Wahlfiasko. Am Sonntag hatte die Schweiz gewählt. Das Ergebnis der eidgenössischen Parlamentswahlen war ein Rechtsruck – allerdings ein kleines bisschen weniger rechts als anfangs gedacht. Wegen eines Fehlers beim Datenimport mussten die ersten Zahlen korrigiert werden. In drei der 26 Kantone waren Stimmen mehrfach gezählt worden. 

Am Mittwoch informierte das Innenministerium über den Fehler. Die Sitzverteilung und die gewählten Nationalrätinnen und Nationalräte seien davon nicht tangiert. Die Erfolge der Wahlsiegerin, der rechten SVP, fielen etwas geringer aus als gedacht (27,9 statt 28,6 Prozent), ebenso die der Mitte (14,1 statt 14,6 Prozent) und der FDP (14,3 statt 14,4 Prozent). Die Grünen (9,8 statt 9,4 Prozent), die SP (18,3 statt 18 Prozent) und die Grünliberalen (7,6 statt 7,2 Prozent) konnten sich hingegen über Zuwächse freuen.

Es geht ums Eingemachte

Alles keine wahnsinnigen Unterschiede, aber eben doch entscheidende. Es geht hier ums Eingemachte in der Eidgenossenschaft – und jeder anderen Demokratie auch. Das Vertrauen in die Abläufe und Institutionen. Das Vertrauen darin, dass die eigene Stimme zählt. Entsprechend harsch sind die Reaktionen. Die Pressestimmen reichen von "Peinlich! Peinlich!" über "Wahlfiasko" bis zum Klaren: "So ein Fehler darf nicht passieren".

Ein Blick in die USA reicht, um zu sehen, wie der Vertrauensverlust in demokratische Prozesse einer Gesellschaft schaden kann. 

Dass die Panne in der Schweiz instrumentalisiert werden könnte, davor wird bereits gewarnt. "Etwa von jenen, die schon vor der Wahl schrien: 'Die Post ist manipuliert!'", sagt Politologin Rahel Freiburghaus im "Tagesanzeiger". Auf die Frage, wie sie auf die Meldung reagiert habe, antwortet sie: "Ich war, wie wohl die allermeisten, doch ziemlich verwundert. Zwar gab es auch schon Auszählfehler im Ausland, etwa bei der Wahl des SPÖ-Vorsitzes diesen Sommer" – die Sozialdemokraten im benachbarten Österreich hatten prompt den falschen Kandidaten zum Parteichef gemacht, eine Panne mit durchaus weitreichenderen Folgen. Da wiegt der Fehler in der Schweiz doch vergleichsweise leicht. Aber es ist eben die Schweiz. Dass so etwas passiere, "wo wir dem Klischee nach als akkurat gelten, überraschte mich schon", sagt Politologin Freiburghaus. 

Überraschung nicht nur bei ihr. Die Reflexe, dass das nicht sein kann, sie funktionieren wie ein Uhrwerk. Und Besserung wird gelobt: Das Bundesamt für Statistik bedauert den Fehler "ausserordentlich" und "nimmt den Vorfall sehr ernst". Prozesse in diesem sensiblen Statistikbereich würden künftig angepasst werden. So schnell dürfte eine Panne dieser Art also hoffentlich nicht mehr passieren. Wir brauchen Gewissheiten wie die pünktliche Ankunft der SBB-Züge am Perron eines Schweizer Bahnhofs und das beständige Ticken der Schweizer Demokratie.

Quellen: "Tagesanzeiger", "NZZ", Der Bundesrat, "St. Galler Tagblatt"

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