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UN-Organisation warnt vor "noch mehr Toten" wegen Abriegelung des Gazastreifens

Zerstörtes Haus in Chan Yunis
Zerstörtes Haus in Chan Yunis
© AFP
Während Israel die zweite Nacht in Folge Bodentruppen und Panzer im Gazastreifen eingesetzt hat, warnt eine UN-Organisation vor weiter steigenden Todeszahlen infolge der Abriegelung des Gebietes. "Menschen in Gaza sterben nicht nur durch die Bomben, es werden bald noch sehr viele mehr an den Folgen der Abriegelung sterben", sagte der Chef des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA), Philippe Lazzarini, am Freitag in Jerusalem.

Seit Beginn des Krieges am 7. Oktober sind nach UN-Angaben lediglich 74 Lastwagen mit Hilfsgütern im Gazastreifen eingetroffen. Vor Beginn des Krieges wurde das Gebiet täglich mit 500 Lastwagen versorgt. Etwa 1,4 Millionen Menschen sind auf der Flucht, können den Gazastreifen aber nicht verlassen. 

Nach Angaben der israelischen Armee wurde der "gezielte Angriff" am Boden im Zentrum des Gazastreifens in der Nacht zum Freitag von Kampfjets und Drohnen unterstützt. Parallel dazu sei die Bombardierung im gesamten Gazastreifen fortgesetzt worden. 

Dabei seien Raketenabschussrampen und Kommandozentren der Hamas zerstört und "Terroristen" der islamistischen Palästinenserorganisation getötet worden, erklärte die Armee. Vom Militär veröffentlichte Aufnahmen zeigten eine Kolonne gepanzerter Fahrzeuge. 

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat mehrfach erklärt, dass die Armee sich auf eine massive Bodenoffensive im Gazastreifen vorbereite. Nahe der Grenze zum Gazastreifen sind bereits zehntausende israelische Soldaten positioniert. 

Der Rückhalt in der israelischen Bevölkerung dafür ist nicht sehr groß. Laut einer Umfrage ist fast die Hälfte der Israelis der Ansicht, es sei besser, mit der Offensive noch abzuwarten. 29 Prozent sprächen sich dafür aus, die Offensive solle "unverzüglich" beginnen, heißt es in einer Umfrage der Zeitung "Maariv".

Nach den am Freitag von der Hamas veröffentlichten Angaben hat die Zahl der im Gazastreifen getöteten Kinder inzwischen die Schwelle von 3000 überschritten. Insgesamt seien seit Beginn des Krieges vor drei Wochen dort 7326 Menschen getötet worden, unter ihnen 3038 Kinder, teilte das von der Hamas geleitete Gesundheitsministerium mit. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Auf die Frage nach der Glaubwürdigkeit dieser Zahlen merkte UNRWA-Chef Lazzarini am Freitag an, die Angaben der Hamas seien in früheren Konflikten mit Israel "nicht angezweifelt" worden. "In den vergangenen fünf, sechs Konflikten im Gazastreifen, galten die Zahlen (der Hamas) als glaubwürdig", sagte er. Er bestätigte, dass bislang "mindestens 57" UN-Mitarbeiter im Gazastreifen getötet wurden.  

Nach öffentlich geäußerten Zweifeln von US-Präsident Joe Biden an den palästinensischen Opferzahlen hatte die Hamas am Donnerstag eine Liste mit Namen und Identitätsnummern von fast 6747 Menschen veröffentlicht, die nach ihren Angaben bei israelischen Angriffen getötet wurden. Die Identität von 281 weiteren Opfern werde noch geprüft, hieß es. 

Das UN-Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte zeigte sich unterdessen besorgt über mögliche Kriegsverbrechen auf beiden Seiten. "Wir sorgen uns, dass Kriegsverbrechen begangen werden. Wir sind besorgt über die kollektive Bestrafung der Einwohner des Gazastreifens in Reaktion auf die schrecklichen Angriffe der Hamas, die ebenfalls auf Kriegsverbrechen hinauslaufen", sagte die Sprecherin des Menschenrechtskommissariats, Ravina Shamdasani, in Genf. Inwiefern es sich tatsächlich um Kriegsverbrechen handle, müsse ein unabhängiges Gericht klären, fügte sie hinzu. 

Die Hamas hatte am 7. Oktober einen Großangriff auf Israel gestartet, bei dem nach israelischen Angaben etwa 1400 Menschen getötet und nach jüngsten israelischen Angaben 229 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Als Reaktion auf den Großangriff riegelte Israel den Gazastreifen ab und startete massive Luftangriffe.

AFP

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