Nihiloxica verändern, was der gemeine Europäer beim Begriffspaar Trommeln und Afrika denkt

29.09.2023
Foto:© Marco Maezza lores (Crammed Discs)
Die interkontinentale Band Nihiloxica kombiniert Rhythmen aus Uganda mit Techno und Meshuggah. Wir haben drei Zeitzonen zusammengebracht, um mit Mitgliedern Jacob Maskell-Key, Pete Jones und Isabirye Henry zu sprechen. 

Der Elevator-Pitch zu Nihiloxica (ausgesprochen: Nai-lox-ih-ka) wäre: Ein Trommelzirkel aus Uganda trifft auf düsteren UK-Techno. Damit wäre man jedoch schlecht auf die Lebensenergie vorbereitet, die das inter-kontinentale Ensemble seit sechs Jahren verbreitet. Nihiloxicas Herz schlägt für jene Art von Tanzmusik, mit der man Gebäude einstampfen kann. »Einer der interessanten Orte, um coole Rhythmen zu finden, ist Technical Metal, insbesondere Meshuggah. Auf unseren letzten Alben habe ich ihren Stil geradezu kopiert«, erläutert Pete Jones. Raven zu Polymetern? Yes, please! 

Das rhythmische Grundgerüst bieten die Traditionen Ugandas. Die Band betont, dass ihre ostafrikanischen Einflüsse in sich interkulturell sind – und nicht erst durch den Kontakt mit Europa werden. So verwendet Nihiloxica Trommeln aus dem Königreich Buganda, um Rhythmen anderer Kulturen zu spielen. Auf der Debut-LP sei der Song »Bwola« nach einem Tanz der Acholi im Norden Ugandas benannt. Damit einher geht eine Säkularisierung. So erzählt Isabirye Henry, dass in Folge der Mengo-Krise (1966) Trommeln aus dem öffentlichen Leben verdrängt wurden: »Sogar im heutigen Uganda sagen manche Leute, dass Trommeln ›spirituell‹ seien oder man sie nur einem Schrein spielen sollte. Doch wir wenden Dinge unserer eigenen Kultur auf eine neue an.« Jacob Maskell-Key fügt hinzu: »Sagt man ›Afrikanische Trommeln‹, denken die meisten an die Djembe. Manche sagen auch ›Bongos‹, obwohl diese gar nicht aus Afrika stammen. Ugandische Perkussion ist einzigartig, aber außerhalb Ugandas oder Kenias kaum bekannt.« 

Dichter Sound, dichterer Westen

Möglich machte diesen Einblick das mittlerweile legendäre Label Nyege Nyege. 2016 lud es die Briten Jacob Maskell-Key (Spooky-J) und Pete Jones (pq) ein, um mit Perkussionisten des Nilotika Cultural Ensembles zu jammen. Aus einem Live-Auftritt wurde eine EP. »Nihiloxica« (2017) brachte der Band internationalen Aufmerksamkeit ein. Doch Nihiloxica haben ihren Zugang seither verändert. »Am Anfang wollten wir eine Live-Band haben. Die Aufnahme sollte sich genauso anhören wie die Aufführung. Aber dann dachten wir: Vielleicht könnte das Album besser klingen«, erzählt Jacob lachend.

»Wenn wir nach Uganda wollen geht das problemlos. Aber wenn Isa, Jally und Prince nach Europa wollen, ist es fast unmöglich

Pete Jones

Ihre Debüt-LP »Kaloli« (2020) kniete sich tiefer in Sound-Design. Diese experimentellen Tendenzen hat Nihiloxica auf ihrem aktuellen Album »Source of Denial« (2023) nur weiter verstärkt. Pete erläutert: »Wir haben manche Songs über unsere Fähigkeit, sie Live aufzuführen, hinaus produziert. Es ermöglicht ein besseres Album.« In der Tat hat »Source of Denial« hat einen dichteren, diversen Sound als bisherige Releases. Während das Album einige Club-Burner enthält, spielen Nihiloxica verstärkt mit Intermezzi und langsameren Tracks. Das Pacing »Source of Denial« fühlt sich stets intentional an. 

Reviews zum Künstler

Aber die Geschichte Nihiloxica ist nicht nur die eines schnellen Aufstiegs und gelungener Internationalität – auch Grenzen spielen eine wichtige Rolle. Insbesondere restriktive Visa-Regelungen »treiben einen Keil« zwischen die Band. »Wenn wir nach Uganda wollen«, führt der gebürtige Brite Pete aus, »geht das problemlos. Aber wenn Isa, Jally und Prince nach Europa wollen, ist es fast unmöglich.« Jacob ergänzt: »Wir sind angefressen von der Situation. Sie steht uns, unseren Freunden, unserer Arbeit und unserer Leben im Weg. Man muss darauf aufmerksam machen, dass die Regierungs-Systeme, die diese Dinge regeln, nicht fair sind. Der Westen ist nicht so offen, wie man gerne glaubt.« Unterkriegen lassen werden sie sich nicht. Nihiloxica demonstrieren das Potenzial, Disparates zusammenzubringen.