Verantwortungsvolles Handeln in organisationalen Prozessen mit dem Menschen im Mittelpunkt des ­Technologiefortschritts

Beitrag als PDF (Download)

 

Deep Learning, Artificial Intelligence, Quantencomputing, digitale Innovationen und Forschungsfortschritte treiben Unternehmen im Rahmen der digitalen Transformation um. Dazu kommen die Anforderungen aus dem komplexen Kontext der Nachhaltigkeit, wie die Forderung, Externalitäten zu internalisieren oder Gleichberechtigung unter Ressourcenknappheit zu erreichen. Wer zukunftsfähig sein und im Markt relevant bleiben will, setzt sich aktiv mit regenerativen Geschäftsmodellen und kontinuierlicher (digitaler) Weiterentwicklung auseinander. Dabei sehen sich Unternehmen der berechtigten Erwartungshaltung ihrer Stakeholder gegenüber, sich umfassend zu digitalethischen Fragestellungen zu positionieren. Ein Überblick – und fünf Schritte hin zu einer ausgeprägten Haltung für den Umgang mit neuen Technologien und dem, was diese mit sich bringen.

Unternehmen können Verständnis vermitteln

Technologien unterstützen mittlerweile schwere körperliche Arbeiten sowie zunehmend Dienstleistungen, Entscheidungsfindung und menschliche Wahrnehmung. Wie wirkt sich dies auf die Gesellschaft, die menschliche Psyche, die endlichen Ressourcen und auf Rechts-, Finanz- und Wirtschaftssysteme aus? Wie ist Mitarbeitenden das grundlegende Verständnis dafür zu vermitteln, wie und bis wohin einzelne Technologien wirken? Unternehmen, die sich mit diesen Fragen beschäftigen, steuern die Entwicklung mit und fördern das Verständnis. Dies kann ebenso zu höherer Akzeptanz führen wie weg von der Sorge, dass die Digitalisierung den Menschen überholen wird. Es zeigt vielmehr, dass sich unter anderem die Lebensqualität verbessern kann, sich der Klimawandel meistern lässt und nachhaltig wirksames Wirtschaften zum Selbstverständnis wird.

Unsicherheit der Menschen ernst nehmen

Digitalisierung und Nachhaltigkeit definieren die Agenda von Unternehmen im 21. Jahrhundert. Interne und externe Stakeholder fordern von Unternehmen verstärkt, ganzheitlich Verantwortung für die Auswirkungen ihrer Geschäftspraktiken, Produkte und Services zu übernehmen, und zwar in allen Facetten der Nachhaltigkeit. Das zeigt auch der PwC CEO Survey von 2022. In diesem gaben 40 Prozent der befragten CEOs an, dass ihre Unternehmen in zehn Jahren nicht mehr wirtschaftlich überlebensfähig sein werden, wenn sie ihr Geschäftsmodell nicht transformieren und nachhaltige Ergebnisse für das Unternehmen, die Gesellschaft und den Planeten schaffen. Dazu gehört, die Unsicherheit der Menschen ernst zu nehmen, die Transparenz zu erhöhen und Sicherheit sowie Regulatorik in digitale Systeme zu integrieren. Sie werden also mit Fragen nach einer ethischen und verantwortungsvollen Digitalisierung konfrontiert.

Ethischen Kompass liefern

Nun wird der Begriff „Ethik“ vielfältig verwendet, häufig steht er für das „sittlich Gute“. In der Wissenschaft geht es bei Ethik um die Reflexion moralischer Überzeugungen im Hinblick auf Werte, Normen oder Prinzipien. Den moralischen Kompass im digitalen Raum liefert die digitale Ethik, die wir von PwC im Kontext der Corporate Digital Responsibility (CDR) verankert haben.

Unsere Definition: Digitale Ethik ist die strategische Ausrichtung nach dem richtigen Handeln in der Digitalisierung, und digitale Verantwortung fordert, dieses Handeln nach gesellschaftlichen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeitsanforderungen umzusetzen. Was ein Unternehmen unter richtigem Handeln versteht, ist von den definierten Unternehmenswerten abhängig, welche wiederum vom geographischen, sozialen und kulturellen moralischen Verständnis geprägt sind.

In unserem ersten Papier zu der Thematik, das wir 2020 veröffentlichten, ging es vor allem um Chancen und Herausforderungen ethischer und verantwortungsvoller Digitalisierung, denen sich Unternehmen schon damals gegenübersahen. Die Frage war, ob effiziente Prozesse oder verständliche Abläufe für Dritte wichtiger sind oder ob menschlicher Kontakt bei Kundeninteraktionen dem mit Chatbots vorzuziehen sei. Seither beobachteten und begleiteten wir die Entwicklungen weiter.

Gespräche müssen in Taten münden

Dass 2021 mehr als 15-mal so hohe Datenschutz-Strafgelder wie noch 2019 gezahlt werden mussten, lässt vermuten, dass Unternehmen hinsichtlich digitaler Ethik und Verantwortung erheblichen Nachholbedarf haben. Zwar ist durchaus ein Fortschritt digitalethischer und verantwortungsvoller Transformation erkennbar, doch erscheint uns dies allenfalls als Anfang. Gespräche über strategische und verantwortungsvolle Signifikanz müssen auch in Taten münden, um nachhaltig wirkungsvolle Entwicklungen hervorzubringen. Wie also können digitale Ethik und Verantwortung in unternehmerischen Entscheidungsgrundlagen beziehungsweise Handlungen und in organisationalen Abläufen verankert werden?

Der Mensch im Mittelpunkt – Target Operating Model

Ein allgemeingültiger wissenschaftlicher Ansatz steht aufgrund der neuen und sich schnell wandelnden Thematik noch aus. Doch wir konnten aus der Zusammenarbeit mit Vorreitern in Sachen digitale Ethik und Verantwortung und basierend auf unseren Erfahrungen aus der Begleitung von ESG-Transformationen Good Practices sowie Empfehlungen ableiten, die wir in ein Target Operating Model (TOM) überführt haben. Im Kern zeigt dieses Modell, wie eine digitalethische Unternehmensstrategie operationalisiert und in organisationalen Prozessen implementiert werden kann, wobei der Mensch im Rahmen von Technologieentwicklung und -nutzung im Mittelpunkt steht. Das gilt auch, wenn Unternehmen neue Ziele, Produkte oder Arbeitsweisen einführen (siehe Abb. 1).

Anfangen und ankommen

Auf Basis des TOM entwickelten wir fünf Schritte für die nachhaltig wirksame Verankerung von digitaler Ethik und Verantwortung in Unternehmen.

 

Erster Schritt: Entwicklung einer klaren Strategie, wie das Unternehmen digitalethisch handeln möchte.

Zu Beginn bietet die Analyse der Technologielandschaft sowie technischer Fortschritte im Zusammenhang mit ihren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt einen wichtigen Überblick und unterstützt die strategische Ausrichtung. Damit eine effektive und zukunftsorientierte Digitalisierung erreicht wird, sollten zudem (potentielle) regulatorische Anforderungen berücksichtigt werden. Für die Festlegung des Ambitionsniveaus und die Entwicklung digitalethischer Prinzipien eignet sich ein interdisziplinärer Ansatz, der durch das Heranziehen von Experten aus verschiedenen Fachbereichen erreicht werden kann. Zur Orientierung können Frameworks wie die BVDW CDR Building Bloxx des Bundesverbands Digitale Wirtschaft oder der CDR-Kodex des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) dienen.

 

Zweiter Schritt: Verschriftlichung des angestrebten Handelns in unternehmensweiten Vorgaben, um es für alle Mitarbeitenden greifbar zu machen.

Ein etabliertes Format dafür sind Leitlinien für eine klare Positionierung in Abwesenheit von Regulatorik und/oder darüber hinaus. Gleichzeitig ermöglicht das schriftliche Bekenntnis eine externe Kontrollfunktion. Daher sollte das Unternehmen proaktiv eigene Leitlinien erstellen, die bestehende und zukünftige regulatorische Anforderungen adressieren, und es sollte festgelegt werden, wo die Verantwortung für ethische Digitalisierung in der Organisation verortet ist. Zur Erarbeitung dieser Leitlinie empfehlen wir ebenfalls die Einrichtung eines Expertenkreises aus unterschiedlichen Fachabteilungen und idealerweise externen Stakeholdern.

 

Dritter Schritt: Bewusstsein und Kompetenzen für relevante Verantwortungsübernahme im Handeln, entsprechend der jeweiligen Unternehmensebene, sicherstellen.

Damit digitale Ethik und Verantwortung gelebt werden können, ist es wichtig, das Bewusstsein der Mitarbeitenden zu stärken und entsprechende Fähigkeiten aufzubauen. Dies erfordert einen integren „Tone from the Top“ und einflussreiche Vorbilder im Unternehmen, die hinter dem Thema stehen und für dieses auch einstehen. Durch gezielte Kampagnen und kontinuierliche Schulungen kann bei den Mitarbeitern ein angemessenes Bewusstsein für digitalethische Fragen geschaffen werden. Schwerpunkt sollte auf der Vermittlung von Methoden- und Sozialkompetenzen liegen. Bewährte Formate sind neben Schulungen Podcasts, Vorträge oder auch Vorstandsstatements.

 

Vierter Schritt: Das angestrebte Handeln in bestehende Prozesse integrieren und standardisieren für eine einheitliche unternehmensweite Anwendung.

Dies erleichtert zentrale Qualitätskontrollen, sichert die Einhaltung von Vorschriften und unterstreicht die Relevanz des Themas. Es wird empfohlen, auf bereits vorhandenen Strukturen aufzubauen, um die Akzeptanz der Mitarbeiter zu fördern und eine effiziente Implementierung voranzutreiben. Bewährte Strukturen können angepasst werden, zum Beispiel durch Checklisten, die sicherstellen, dass digitalethische Implikationen von Anfang an berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollten sich diese Werte auch in etablierten Managementsystemen wiederfinden und entsprechende Aspekte in nachfolgende Kontrollprozesse wie Qualitätsbewertungen integriert werden.

 

Fünfter Schritt: Im Austausch bleiben und sicherstellen, dass das angestrebte digitalethische Handeln regelmäßig mit den Entwicklungen der rasant fortschreitenden Digitalisierung abgeglichen wird.

Nach einer erfolgreichen Implementierung gilt es, die Wirkung messbar zu machen und diese auch zu kommunizieren. Dabei empfiehlt es sich, neben bewährten KPIs zum Beispiel die IOOI-Methode (Input, Output, Outcome, Impact) anzuwenden, um unterschiedliche Perspektiven von Stakeholdern einzubeziehen und eine umfassendere Bewertung der Maßnahmen zu erhalten. Angesichts der wachsenden Bedeutung des Datenaspekts in etablierten ESG-Bewertungen ist es ratsam, die Anforderungen zu überprüfen und einen Vergleich mit Wettbewerbern anzustellen, um vorhandene Potentiale zu identifizieren. Ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch mit Expertinnen und Experten ermöglicht es, auf dem neuesten Stand zu bleiben, Maßnahmen an die rasant voranschreitende Technologie anzupassen und so die Chancen der digitalen Welt wertstiftend zu nutzen.

 

Hinweis der Redaktion:
Weitere Details zu Praxisimplikationen, Unternehmensbeispiele für die Verankerung von digitaler Ethik und Verantwortung und dem ESG-Transformation-Framework sind im Positionspapier von PwC Deutschland zu finden (tw).

 

[email protected]

[email protected]

[email protected]

 

Aktuelle Beiträge